Photonews Hamburg, November 2017
Unter den Künstlern haben Fotografen eine besondere Stellung, denn es dürfte wohl kaum eine andere Kunstform geben, die so eng mit ihrer technischen Ausrüstung verbunden ist und auch in Verbindung gebracht wird. Es fällt jedenfalls schwer zu glauben, dass sich Maler untereinander ständig und in der gleichen Art und Weise über Farben, Pinsel und Leinwände unterhalten, wie es Fotografen über die Vorzüge von Kameras und Objektiven, Filmen, Papieren und Druckern tun. Gleichzeitig gibt es auch das noch immer lebendige Klischee des Amateurfotografen, der seine Profiausrüstung um den Hals hängend spazieren führt, dessen Fähigkeiten, mit dieser Technik auch kreativ umzugehen, den Schnappschussstatus jedoch kaum überschreitet. Dem gegenüber steht – zumin-dest scheinbar – der Künstler, für den nur das Ergebnis, also die Fotografie, zählt, und der sich mit so etwas Profanem wie Technik nicht mehr als nötig beschäftigen will – getreu dem Motto: Nicht die Kamera, sondern der Fotograf macht das Bild. Die Wahrheit liegt – wie immer – irgendwo dazwischen und ist auch für jeden einzelnen Fotografen unterschiedlich zu bewerten. Der Düsseldorfer Oliver Sieber, der mal als Fotograf und mal als Künstler bezeichnet wird (allein diese Unterscheidung zeigt wie klischeebeladen die Begrifflichkeiten selbst heute noch sind) hat nun ein kleines Buch veröffentlicht, in dem er sich seiner eigenen Kamerasammlung widmet. Auf 51 Fotografien zeigt Sieber wesentliche Teile seiner Ausrüstung – Kameras, Objektive, Blitzgeräte. Alles in Schwarzweiß fotografiert und oft vor einem grau verlaufenden Hintergrund. Manchmal sieht man aber auch schemenhaft sein Düsseldorfer Wohnatelier oder Teile der Studiokonstruktion. Auf der linken Seite hat Sieber meist ein Foto gestellt, das er mit dem jeweiligen Equipment aufgenommen hat. Eben für die Realisierung dieses Bildes wurde die Anschaffung gemacht. Wer Siebers Arbeit im letzten Vierteljahrhundert verfolgt hat, wird dabei auf alte Bekannte treffen: die Manhattan Bridge aus der Serie „O.i.F.“ zum Beispiel sowie zahlreiche Porträts aus „Die Blinden“, „ImaginaryClub“ und „Character Thieves“ und auch Stillleben und Raumansichten. Komplett auf die Spitze getrieben wird dasKonzept zuletzt dadurch, dass Sieber dem Buch eine Audio-CD beigelegt hat, auf der man die Geräusche seiner Hasselblads, Rodenstocks, Polaroids, Wollensaks, Fujis, Nikons, Contax und Ricohs nachhören kann – vom Öffnen des Faltlichtschachtes über das Einlegen der Filme und Ansetzen der Objektive bis zum Auslösen und Spannen der Verschlüsse. Das klingt total nerdig? Ist es auch. Aber es hat auch eine sinnliche Ebene und macht zudem Sinn, denn jeder Fotograf, der sein Equipment kennt und liebt, wird schon am Geräusch erkennen, ob irgendetwas nicht in Ord-nung ist und ob die Aufnahme möglicherweise misslungen ist. Im persönlichen Gespräch wird Sieber dann auch nicht müde über seine Kameras zu sprechen, die er seit dem Kauf seiner Minolta XD7 im Jahr 1981 sammelt. Nur, um nach 20 Minuten hinzuzufügen: „Eigentlich interessiere ich mich gar nicht so für Technik.“ Und genau diesen Zwiespalt, dass man sich als Fotograf zwangsläufig für die Technik interessieren muss, weil besondere Projekte besondere Kameras, Objektive, Blitzgeräte oder Sensoren nötigmachen (oder zu machen scheinen), kann man beim Betrachten sehr gut nachvollziehen. Das Buch ist deshalb eine Liebeserklärung an den Fetisch Fotografie und stellt diesen zugleich ein Stück weit bloß. Diese Ambivalenz macht es so interessant. Und ich erwische mich dabei, wie ich mir die Kamerageräusche auf der CD als atmosphärisches Rauschen im Hintergrund anhöre. Total nerdig, ich weiß. Aber auch irgendwie sexy, der Sound eines Hasselblad-Verschlusses. Damian Zimmermann